Es gibt einige Mythen und Irrtümer in Bezug auf Hunde und unser Zusammenleben mit ihnen. Im Glauben, sie seien wahr, werden sie immer wieder erzählt und führen zu Missverständnissen zwischen Mensch und Hund. Die fünf, die mir selbst am häufigsten begegnet sind, habe ich hier zusammengetragen. In diesem Artikel geht es dabei speziell um die häufigsten Hundeirrtümer bei unserer Interpretation von Körpersprache und Verhalten.
- Schwanzwedeln ist immer eine freudige Begrüßung.
- Hunde, die bellen, beißen nicht.
- Aggressive Hunde sind dominante Hunde.
- Ängstliche Hunde haben Schlimmes erlebt.
- Hunde, die nicht allein bleiben können, haben Angst.
1. Schwanzwedeln ist immer eine freudige Begrüßung
Das ist wohl einer der ältesten und hartnäckigsten Hundemythen überhaupt. Das Fatale daran: Es ist nicht völliger Quatsch, denn Hunde wedeln mit der Rute, wenn sie freudig begrüßen. Aber nicht nur dann und das ist weniger bekannt und kann zu bösen Missverständnissen zwischen Mensch und Hund führen.
Das Rutewedeln ist nämlich in erster Linie ein Ausdruck von Aufregung. Und die muss nicht immer positive Gründe haben. Ein Hund wedelt, wenn er einen begrüßt, aber auch, wenn er einen vertreiben will, wenn er Beute sieht, wenn er jagt, wenn er Angst hat (zwischen den Beinen) und beschwichtigen will, wenn er mit einem anderen Hund anbandeln möchte und und und. Schwanzwedeln kommt also bei Emotionen von Freude bis Aggression vor.
Indizien für ein freundliches Wedeln:
Der ganze Körper des Hundes ist weich, die Rute wedelt tief oder höchstens auf einer Höhe mit dem Körper, manchmal geht auch der Kopf runter.
Indizien für ein unfreundliches Wedeln:
Der ganze Körper wirkt steif, weil die Muskeln angespannt sind. Die Rute wedelt langsam und/oder oberhalb des Rückens.
Tipp: Immer auf den ganzen Körper achten und auf das eigene Bauchgefühl hören, denn auch wir haben Instinkte. Im Zweifel Abstand wahren.
2. Hunde, die bellen, beißen nicht
Bellen kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Viele Hundebesitzer können bei ihren Hunden einige Laute auseinanderhalten, wie zum Beispiel das „Hey, mach mal die Tür auf“-Bellen oder das obligatorisch in die Welt posaunte „Hey du da am anderen Ende der Straße, das ist hier alles meins!“-Bellen oder ein ernstes „Verpfeif dich!“-Bellen. Eines haben aber alle bellenden Hunde gemeinsam: Sie machen sich die Mühe, lauthals zu kommunizieren. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass sie niemals zubeißen würden.
Es gibt Hunde, die beißen ohne Vorwarnung zu. Oder sie warnen zu subtil, wie zum Beispiel mit einem kurzen Hochziehen der Oberlippe, was sie als Zähnefletschen verstehen, dass ein hohes Risiko besteht, es zu übersehen. Dem Gegenüber stehen die Bluffer, die mit viel Getue und Getöse hüpfend und bellend beeindrucken wollen, aber sofort das Weite suchen, wenn ein Schritt auf sie zugemacht wird.
Doch dazwischen gibt es die für Hunde normale Art der Kommunikation, in der ein Bellen die erste Warnstufe sein kann. Wird sie ignoriert, sind sie vielleicht so nett und nutzen das Knurren als nächste Warnstufe. Wird auch diese nicht beachtet, kann es sehr wohl zu einem Biss kommen.
Hunde, die bellen, wollen also nicht beißen. Aber unter Umständen wollen sie trotzdem ein Tabu durchsetzen, wie ein „Fass mich nicht an“ oder ein „Betritt nicht mein Zuhause“ und geben uns eine Chance, ihre Grenze zu respektieren.
3. Aggressive Hunde sind dominante Hunde, die das Sagen haben wollen
Um zu verstehen, warum sich manche Hunde aggressiv verhalten, brauchen wir eigentlich nur uns Menschen anzusehen. Wann sind Menschen (scheinbar grundlos) aggressiv? Wenn sie sich als Souverän verstehen und ihre Untertanen führen wollen? Nein. Wir werden aggressiv, wenn wir uns machtlos fühlen, wenn wir Unsicherheiten überspielen wollen, wenn wir gehört, respektiert oder in Ruhe gelassen werden wollen und das mit anderen Mitteln nicht schaffen. Und so ist es auch bei Hunden. Die meisten aggressiven Hunde sind angstaggressiv. Entweder hatten sie nie andere Strategien wie Beschwichtigung und Flucht im Repertoire, oder diese haben in der Vergangenheit nicht funktioniert. Aus Verzweiflung ein Mal knurren, Zähne fletschen oder gar schnappen und merken, dass daraufhin zurückgezuckt wird, kann da ein Schlüsselerlebnis für einen Hund in einer beängstigenden Situation sein.
„Angriff ist besser als Verteidigung“ wird zum Lebensmotto.
Ein anderer häufiger Grund ist Frust. Dieses Gefühl sollten wir weder bei uns noch bei unseren Hunden unterschätzen. Frustration führt genau wie Angst zu Verzweiflung und kopflosem Handeln. Es ist ein „So, wie es ist, ist es nicht gut“ dem ein „Aber ich weiß nicht, wie ich es ändern kann“ gegenübersteht.
Eine Art von angeborener Dominanz, die den Hund glauben lässt, er müsse um jeden Preis das Sagen haben, ist hingegen selten. Vielleicht gibt es das sogar garnicht.
4. Ängstliche Hunde haben Schlimmes erlebt
Dieser Mythos scheint einer unumstößlichen Logik zu folgen. Stimmt aber trotzdem nicht. Es gibt viel Leid auf der Welt und dabei auch viel Leid für Hunde, das wiederum meist von uns Menschen ausgeht. Das ist eine Tatsache. Unzählige Hunde erleben menschliche Grausamkeit. Natürlich hinterlässt das auch in ihren Seelen Spuren. Obwohl wir Tieren nachsagen, sie würden im Jetzt leben und nicht wie wir viel zu sehr in der Vergangenheit, gibt es auch die Überzeugung, Tiere könnten Traumata erleiden. Die hängen ihnen aus der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft nach. Wie sich das in ihrem Verhalten zeigt, ist aber unterschiedlich. Hunde sind Individuen.
Ja, es gibt Hunde, deren Angstproblematik auf schlimme Erlebnisse zurückgehen.
Was aber viele nicht wissen: Es gibt Hunde mit sehr ausgeprägter Angstproblematik, die nie Gewalt erlebt haben. Ihre Angst ist trotzdem nicht angeborener Charakterzug, sondern hat konkrete Gründe. Ängstliche Hunde haben sehr sehr oft einfach zu wenig und damit auch zu wenig Gutes erlebt. Viele ängstliche Hunde hatten von klein auf ein sehr isoliertes Leben. Es fehlt ihnen schlicht an Erfahrung – und zwar sowohl Erfahrung mit ihrer Umwelt als auch mit sich selbst. Deshalb stehen sie allem Neuen sehr skeptisch gegenüber und es fehlt ihnen an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Sie können nichts in der Welt einschätzen, wissen nicht, was Gefahr ist und was nicht. Und obendrein haben sie keine Ahnung, was sie machen könnten, wie sie sich verhalten sollen, wie ihre Wirkung auf ihre Umwelt ist.
Beängstigend, oder?
Übrigens – Ich habe als ehrenamtliche Gassigängerin im Tierheim drei Arten von Angsthunden kennengelernt:
- Hunde, die Angst vor Gott und der Welt hatten, auch vor Fremden, aber zu ihnen bekannten Menschen recht schnell Vertrauen fassten.
- Hunde, die eigentlich sehr selbstbewusst durch die Welt liefen, aber Menschen richtig schrecklich fanden.
- Hunde, die vor einfach allem und jedem Angst hatten.
5. Hunde, die nicht allein bleiben können, haben entweder Trennungsangst oder Angst um sich selbst
Ich wurde auf einem Zeltplatz ein Mal gebeten, für wenige Minuten auf eine sehr freundliche Hündin aufzupassen, weil ihr Herrchen kurz weg musste und sie nicht mitnehmen konnte. Die Hündin starrte ununterbrochen leise fiepend in die Richtung, in die ihr Mensch auf einem Fahrrad verschwunden war. Als er kurze Zeit später wieder da war, bestätigte er meine Vermutung, dass er sie aus dem Tierheim hatte und wirklich nie alleinlassen könne. Ja, das Phänomen Trennungsangst gibt es und wenn es bei Hunden vorkommt, die schon einmal verlassen worden sind, ist das auch wenig überraschend. Aber es gibt noch andere und viel häufigere Gründe, warum Hunde große Probleme mit dem Alleinbleiben haben.
Zum einen ist es für den Hund widernatürlich, dass sein ganzes Rudel, möge es aus einer oder vielen Personen bestehen, ohne ihn loszieht und ihn stattdessen Zuhause einsperrt. Dieses Verhalten ergibt für einen Hund überhaupt keinen Sinn. Manche Hunde gewöhnen sich da trotzdem dran, weil ihnen die Erfahrung, dass die Menschen jeden Tag immer wieder kommen, völlig ausreicht. Andere aber brauchen dazu viele kleine Übungseinheiten, ehe sie bereit sind, auch nach mehreren Stunden die Zuversicht nicht zu verlieren, dass alles in Ordnung ist und ihre Menschen wiederkommen. Für sie war der Schmiss ins kalte Wasser also nicht der richtige Weg und ihnen fehlt schlicht das Training.
Ein anderer Grund, warum es Hunde nicht allein zu Hause aushalten, ist der Kontrollverlust. Sehr vielen Hunden haben ihre Menschen bewiesen, dass sie selbst kaum entscheidungsfähig sind, weil sie immer wieder den Hund entscheiden lassen, wann es Futter gibt, wann Spielzeit ist, wann damit Schluss ist, wann es Zeit für den Spaziergang ist (und wohin und wie lange) und vieles andere. Hunde, die davon überzeugt sind, dass sie die Verantwortlichen im Haushalt sind, haben wirklich Angst, wenn ihre Menschen weggehen. Aber sie haben nicht Angst um sich selbst. Es ist die Sorge um ihre (aus ihrer Sicht) lebensunfähigen Menschen, die doch unmöglich ohne sie da draußen klarkommen können. Und dieser Grund ist viel häufiger der Fall, als wir uns selbst eingestehen mögen.
In jedem Fall aber ist eines sicher: Hunde, die nicht allein zu Hause bleiben können, aber müssen, leiden. Es ist in jedem Fall Stress für sie. Die Gründe bestimmen, wie ihnen am besten geholfen werden kann.

Fallen dir noch mehr Mythen, Irrtümer und Missverständnisse zum Hundeverhalten ein? Dann schreibe sie gerne in die Kommentare!
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