In unseren Köpfen haben sich einige Irrtümer darüber festgesetzt, wie Hunde miteinander umgehen und was ihr Verhalten unter Artgenossen bedeutet. Zu den fünf häufigsten gehören diese hier:
- Das Alphatier ist der körperlich stärkste Rüde eines Rudels
- Junge Hunde genießen unter erwachsenen Hunden Welpenschutz
- Bei Konflikten zwischen Welpen darf nicht eingegriffen werden
- Hündinnen können sich nicht leiden
- Hunde, die tollen und rangeln, spielen nur
1. Das Alphatier ist der körperlich stärkste Rüde eines Rudels
Erst hat er sich seine Vormachtstellung innerhalb des Rudels blutig erkämpft (Kollateralschäden inbegriffen) und dann stürzt er sich bei Bedrohungen von außerhalb natürlich als Erster (weil ja Stärkster) in die Schlacht – und wird schwer verletzt oder gar getötet, sodass das Rudel führungslos zurückbleibt. Total logisch.
Natürlich läuft das nicht so. Das Sagen innerhalb eines Rudels hat nicht der körperlich Stärkste. Eigentlich lässt sich die Frage nach dem Leittier gerade bei Hunden (noch) gar nicht so pauschal beantworte. Aber es gibt hierzu Forschung und Beobachtungen, aus denen sich sagen lässt, dass viel wahrscheinlicher das Leittier, das intelligenteste und durchsetzungsfähigste Individuum ist und das dieses zudem oft weiblich ist.
Das „Alphatier“ ist das Mitglied, welches die Verantwortung trägt, welches für alle abwägt, wann überhaupt gekämpft und wann besser geflohen wird, wann am Platz nach Nahrung gesucht und wann weitergezogen wird. Es schützt das Rudel nicht als Vorkämpfer, sondern als weiser Entscheider. Und Dominanz ist nicht Aggression, sondern das Selbstbewusstsein, mit welchem es darauf besteht, der Entscheidungsträger für alle zu sein.
Unter Wildtieren sind natürlich gewachsene Rudel in der Regel Familienverbände. Das „Sagen“ haben hier beide Elterntiere, von denen der Nachwuchs auf das selbstständige Leben vorbereitet wird.
Hunderudel finden hingegen unter unterschiedlichen Umständen zusammen und sind nicht immer miteinander verwandt. Selbst bei Straßenhunden und halb verwilderten Tieren ist ein gewisser menschlicher Einfluss da, sei es, weil die Tiere ursprünglich mit Menschen lebten oder wegen Essbarem in ihrer Nähe bleiben. Hunde sind als domestizierte Tiere immer ein wenig zwischen den Welten gefangen und verhalten sich daher anders als Wildtiere.
Trotzdem ist der Alphahund-Mythos ein Macho-Relikt und nicht deckungsgleich mit Forschung und Beobachtungen von Hunderudeln oder Rudeln anderer Hundeartiger. Immer wieder lese oder höre ich von Hündinnen, die in Hunderudeln die Führungsposition innehaben. Diese Beobachtung kann unter Hunden auch gemacht werden, wenn sie als gemischtgeschlechtliches Paar mit Menschen im Rudel leben.
Soziale Verbände unterliegen zudem immer auch einer gewissen Dynamik, was bedeutet, dass kein einziger „Rang“ innerhalb eines Rudels in Stein gemeißelt ist.
2. Junge Hunde genießen unter erwachsenen Hunden Welpenschutz
Es gibt zweifellos Hunde, die sich allen Welpen gegenüber, also eigenen wie auch fremden, sehr geduldig zeigen. Manche werden richtig fürsorglich. Es gibt sogar Hunde, die bei „Kindern“ allgemein ein Verhalten zeigen, welches deutlich macht: Sie erkennen, dass es ein Kind ist und sie wollen, dass es dem Kind gut geht, egal ob Hunde-, Katzen- oder Menschenkind. Diese so freundlichen und sozialen Hunde sind aber nicht die Regel. Dieses Verhalten ist keine instinktive Selbstverständlichkeit einer ganzen Art. Der Grund dahinter sind der individuelle Charakter des Hundes, seine Sozialisierung, zu der Erfahrung zählt, und/oder seine Erziehung.
Andere Hunde wiederum reagieren verunsichert, genervt oder sogar aggressiv auf Welpen.
Das Einzige, was als „Welpenschutz“ bezeichnet werden kann, ist das Hinnehmen jeden Verhaltens von Welpen in den ersten Lebenswochen durch die Elterntiere. Doch selbst diese Zeit ist nur kurz, denn die Hundeeltern fangen das Maßregeln von unerwünschtem Verhalten nach wenigen Wochen an.
Die Annahme eines Welpenschutzes ist eine Gefahr für junge Hunde – insbesondere, wenn sich ihre Menschen selbst bei fremden Hunden darauf verlassen. Welpen können von erwachsenen Hunden attackiert und dadurch mindestens traumatisiert, wenn nicht sogar verletzt und sogar getötet werden. Es gibt keinen Instinkt, der sie davor schützt.
3. Bei Konflikten zwischen Welpen darf nicht eingegriffen werden
„Die müssen das unter sich ausmachen“ ist ein Satz, den sich viele Hundehalter in der Welpengruppe ihrer Hundeschule anhören durften (und vermutlich immer noch dürfen). Und manchmal wird dieser Quatsch auch noch aus der Hundeschule auf die Hundewiese hinaus getragen. Dabei wage ich zu behaupten, dass die allermeisten Menschen instinktiv eingreifen wollen, wenn ihr Welpe in einem Konflikt mit einem anderen gerät und allem Fiepen und Piepen zum Trotz nicht sofort aus der Situation heraus kommt. Dieses „Bauchgefühl“ ist richtig.
Der „Aufschrei“ eines Welpen ist ein klares Stoppsignal. Wird dieses Signal von einem anderen Welpen übergangen, dann verhält der sich asozial. Hunde erziehen ihre Welpen und verlangen soziales Verhalten. In dem Moment, in welchem wir einen Welpen von seinen Eltern trennen und zu uns nehmen, übernehmen wir die Verantwortung für ihn und seine Erziehung. Lassen wir Welpen in Konfliktsituationen, in denen sich mindestens einer asozial verhält, es „unter sich ausmachen“, lassen wir sie schlichtweg im Stich.
Wenn wir bei einem von Welpe 1 gegebenem Stoppsignal hinnehmen, dass Welpe 2 es ignoriert, dann lernt Welpe 1, dass er mit friedlicher und klarer Kommunikation nicht weiter kommt und Welpe 2, dass der Mobber zu sein sich gut anfühlt. Und beide Welpen lernen, dass ihre Menschen sich weder für ihre Probleme noch für ihr problematisches Verhalten interessieren.
4. Hündinnen können sich nicht leiden
Na klar, Hündinnen können sich grundsätzlich nicht leiden, sehen sich gegenseitig als Konkurrentinnen und sind ja eh immer etwas zickig. Rüden hingegen sind immer in Best-Buddy-Mentalität, selbst unkastriert, weil hier gilt klar: Bruder vor Lud… ihr wisst schon.
Vorneweg: Ich empfinde den Begriff der „Zickigkeit“ als höchst sexistisch. Männliche Wesen sind sauer, wütend, aggressiv, aber weibliche sind „zickig“. Einfach mal ausprobieren, wie sich das Wort „Zorn“ und wie sich das Wort „Zickig“ so anfühlt.
Na?
Frauen sind wütend, wenn sie wütend sind und Hündinnen sind aggressiv, wenn sie aggressiv sind – und nicht „zickig“.
Und nun wieder zurück zum Thema: Also sind Hündinnen untereinander besonders aggressiv? Rüden und Hündinnen können gleichermaßen verträglich oder unverträglich mit Artgenossen sein. Und ja, beide können auch ausschließlich aggressiv gegenüber gleichgeschlechtlichen Hunden sein. Es gibt Hündinnen, die friedlich zusammenleben, selbst wenn sie unkastriert und läufig sind. Andere wollen hingegen einander töten.
Es lässt sich nicht verallgemeinern. Natürlich spielen hier Sozialisierung und Erziehung wieder eine große Rolle. Aber nichtsdestotrotz soll es durchaus eine gewisse Tendenz geben, dass Hündinnen eher aggressiv gegen andere Hündinnen sind und es im Fall eines Kampfes auch häufiger wirklich ernst meinen.
Also stimmt… so ein bisschen.
5. Hunde, die tollen und rangeln, spielen nur
Hunde können sich gegenseitig ignorieren, attackieren oder miteinander spielen? Nein, Hunde sind als soziale Tiere in ihrer Kommunikation und ihrem Umgang miteinander viel komplexer. Oft sehen wir in ihrem Verhalten Aggression, wo keine ist oder Spiel, wo keines ist. Als Beispiel: Ein Hund, dem ein anderer Hund zu aufdringlich ist, kann die Zähne fletschen, knurren, vielleicht sogar eine Schnappbewegung machen, wenn der andere Hund immer weiter macht. Das ist kein aggressives Verhalten, sondern die Forderung nach mehr Respekt vor dem persönlichen Freiraum. Im Gegenzug dazu beobachten wir oft Hunde, wie sie gemeinsam über die Wiese tollen, wie sie rangeln und Kampf „spielen“ und glauben, sie haben gerade tierisch Spaß. Dabei spielen ausgewachsene Hunde untereinander viel seltener, als uns das bewusst ist. Ob sie wirklich spielen oder nicht vielleicht etwas ganz anderes gerade zwischen ihnen läuft, lässt sich durch genaues Hinsehen erkennen. Spielen basiert auf Gegenseitigkeit, die Handlungen werden abgewechselt. Ich konnte bei Tieren (nicht nur bei Hunden) schon öfter beobachten, dass sie genauso Fangen spielen wie wir (als Kinder). Das heißt: Sobald der Verfolger den Gejagten berührt, wird gewechselt. Jagt hingegen ein Hund ständig den anderen ohne Wechsel, ist das kein Spiel. Schneidet ein Hund dem anderen ständig den Weg ab, ist das auch kein Spiel, sondern Begrenzung und das Ausüben von Kontrolle über den anderen. Ist ein Hund immer unten und ein andere immer oben, ist das ebenfalls kein Spiel. Und dann sieht sexuell motiviertes Verhalten für uns ebenfalls oft wie spielen aus.
Fazit: Nicht erst, wenn sie offensichtlich kämpfen, üben Hunde untereinander Stress und problematisches Verhalten aus. Genau wie bei uns Menschen können Mobbing und mobbingähnliche Strukturen viel subtiler stattfinden.

Quellen
http:// rudelstellungen-klargestellt.de/?p=14
https://www. easy-dogs.net/welpenschutz/
https://www. martinruetter.com/osnabrueck-vechta/news/details/artikel/gibt-es-den-sogenannten-welpenschutz/
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