Für uns Menschen sind die Fähigkeiten von Tieren immer wieder erstaunlich. Im engen Zusammenleben mit unseren Hunden können wir viel Bewundernswertes und Überraschendes beobachten. Aber wann überschätzen und wann unterschätzen wir unsere tierischen Familienmitglieder? Fünf der größten Mythen, die sich um die Fähigkeiten von Hunden ranken, sind hier zusammengetragen.
- Der 6. Sinn: Hunde spüren, wer ein „guter“ und wer ein „schlechter“ Mensch ist.
- Lernstopp: Alte Hunde können nichts Neues mehr lernen.
- Supernase: Hunde haben die feinste Nase unter allen (Haus-)Tieren.
- Kommunikationsgenie: Hunde verstehen alles, was wir sagen.
- Schuld(UN)fähig: Hunde können (k)ein schlechtes Gewissen haben.
1. Hunde spüren, wer ein „guter“ und wer ein „schlechter“ Mensch ist
Hunde sind Meister darin, Körpersprache zu lesen – auch die unsere. Doch wie wir sind sie von ihren Erfahrungen geprägt, insbesondere aus ihrer Welpenzeit. Hatten sie viele positive Erlebnisse mit Menschen, haben sie uns von Grund auf eine positive Einstellung gegenüber. Stellt sich heraus, dass jemand nicht so nett ist, beziehen sie das nur auf diese Person. Hatten Hunde gar keine, wenige oder schlechte Erlebnisse mit Menschen im Welpenalter, dann werden sie Fremden gegenüber immer skeptisch begegnen. Wie die Hunde in beiden Fällen auf fremde Menschen zugehen, ist also nicht allein davon abhängig, wie die Menschen sind oder sich verhalten.
Und nun zurück zu dem Punkt mit der Körpersprache: Ist jemand im Jetzt und Hier ehrlich freundlich, nimmt der Hund genau das wahr und sonst nichts. Hunde sehen weder, was wir in unserer Vergangenheit alles verbrochen haben, noch, was wir noch tun werden. Sie haben keine Ahnung, ob wir grundlegend „gut“ oder „schlecht“ sind, sondern beurteilen uns danach, wie wir uns im Moment verhalten. Einem Hund Freundlichkeit nur vorzuspielen oder Angst zu überspielen, ist sehr schwierig. Aber in die Untiefen unserer Seelen können sie uns nicht blicken.
2. Alte Hunde können nichts Neues mehr lernen
„Einem alten Hund kann man keine neuen Tricks mehr beibringen“ ist die Hundeversion der (Nicht-) Weisheit: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“
Egal ob älterer Hund oder Mensch, es ist in beiden Fällen Unsinn. Ja, junge Gehirne im Wachstum sind wahnsinnige Lernmaschinen. Aber ausgewachsen und sogar gealtert können sie immer noch lernen. Und alten Hunden tut geistige Abwechslung und Beschäftigung sehr gut. Außerdem fördert das gemeinsame Lehren-und-Lernen zwischen Mensch und Hund selbst im Alter noch die Bindung und stärkt die Beziehung. Mitunter sind ältere Hunde schwerer zu begeistern, brauchen etwas länger zum Lernen oder stellen ihre Menschen mehr infrage. Doch es bleibt ein gewaltiger Unterschied zwischen „es ist etwas schwieriger“ und „es ist unmöglich“.
3. Hunde haben die feinste Nase unter allen (Haus-)Tieren
Mindestens so sehr wie für ihre Treue und Loyalität sind Hunde für ihr unglaublich gutes Gehör und ihren beeindruckend guten Geruchssinn bekannt. Ihre Nasenfähigkeiten in Kombination mit ihrer Kooperationsbereitschaft und Lernfähigkeit machen sie in mehreren Bereichen zu einer großen Unterstützung für uns Menschen. Nicht zuletzt retten sie als Suchhunde sogar unsere Leben.
Das ist unbestreitbar!
Aber: Sind sie wirklich die größten Spürnasen unter den (Haus-)Tieren?
Wie gut der Geruchssinn ist, hängt von mehreren messbaren Faktoren ab. Dazu gehören die Geruchsrezeptoren in der Riechschleimhaut am Ende der Riechzellen. Je größer die Riechschleimhaut ist, um so mehr Platz ist in der Nasenhöhle für die Rezeptoren. Je höher die Anzahl der Rezeptoren, umso besser können Gerüche wahrgenommen werden. Und je mehr unterschiedliche Arten von Rezeptoren ein Lebewesen hat, um so mehr Gerüche kann es unterscheiden.
Wie gut diese Faktoren untersucht sind, ist allerdings von Tierart zu Tierart unterschiedlich und ändert sich mit der Forschung. Nach aktuellem Stand kann behauptet werden: Katzen und Ratten können je nach Art und Rasse nahe zu so gut riechen wie ein Hund. Meistens haben Hunde allerdings mindestens noch eine Nasenlänge Vorsprung. Unter den Haustieren stimmt damit der Mythos schon einmal, wobei Hunde mit langen Schnauzen hier einen erheblichen Vorteil haben.
In der Wildnis sieht das jedoch anders aus. Zu den größten Spürnasen im Wildtierreich gehören: Bären, Elefanten und der europäische Aal.
Hier noch einige Zahlen zum Vergleich
Verschiedene Typen von Geruchsrezeptoren
Mensch – ca. 350
Hund – ca. 1200
Ratte – ca. 1000
Anzahl an Rezeptoren
Mensch – ca. 10 – 30 Mio.
Hund – bis zu 300 Mio.
Katze – 65 bis 200 Mio.
Fläche der Riechschleimhaut
Mensch – ca. 2 x 5 cm²
Hund – ca. 200 cm²
Katze – ca. 20 cm²
Riechhirn – Teil des Hirns, das die erfassten Gerüche verarbeitet (analysiert)
Mensch – 1% des Hirns
Hund – 10% des Hirns
Plus: Hunde können mit beiden Nasenlöchern unabhängig voneinander, also stereo, riechen.
4. Hunde verstehen alles, was wir sagen
Gar nicht selten, dass Menschen von ihren eigenen Hunden behaupten, genau das zu können. Oft sind sie selbst überrascht, aber dennoch voller Überzeugung, weil sie sich vom eigenen Hund so gut verstanden fühlen. Und auch wenn es erst einmal nach totalem Unsinn klingt, ist viel Wahres dran. Unsere Hunde verstehen ja tatsächlich erstaunlich viel von dem, was wir so von uns geben. Ihre Infos ziehen sie allerdings weniger aus unseren Worten.
Sofern sie unsere Spezies von klein auf kennen, lernen sie sehr schnell unsere Körpersprache zu lesen. Außerdem ist unsere Stimme nicht nur dann aufschlussreich, wenn wir sie bewusst in die Tiefe für Strenge oder Höhe für ein Lob verstellen. Sind wir wütend, frustriert, ängstlich, fröhlich oder gar richtig glücklich? Anders als wir lassen sich die Tiere beim lesen unserer Gestik, Mimik und Stimme nicht von unseren Worten beirren. Das gepaart mit ihrer ausgeprägten sozialen Ader macht sie zu erstaunlichen Menschenverstehern.
Die vielen Worte, die wir so von uns geben, brauchen sie dazu nicht. Neben den durch uns antrainierten Kommandos erlernen sie dennoch ganz von allein einige unserer Wörter. Namen von Familienmitgliedern zum Beispiel. Bei meinem Hund haben wir „hol‘ die Katze (abends aus dem Garten nach Hause treiben)“ oder „geh‘ nach Hause“ im Sinne von „geh‘ ruhig bis ins Haus vor“ nie bewusst trainiert. Der Hund hat es trotzdem verstanden. Und das waren ganze Sätze! Mit nur „Katze“ waren hingegen ausschließlich andere Katzen gemeint und die Reaktion des Hundes auf das Wort allein eine deutlich andere. Und ohne jede Mühe lernt wohl jeder Hund den von seinen Menschen genutzten Begriff für „Leckerlies“.
Hunde erlernen also durchaus einen Wortschatz. Und sie können uns sehr gut lesen. Aber wirklich jedes Wort ist dann doch etwas zu viel von ihnen verlangt.
5. Hunde können (k)ein schlechtes Gewissen haben
Hier scheiden sich die Geister, weil Expertenmeinung und Haltererfahrungen so auseinanderzugehen scheinen. Denn einerseits heißt es, dass eine Strafe schon wenige Sekunden nach der Tat vom Hund nicht mehr mit dieser in Verbindung gebracht werden kann, andererseits ist das Guilty-Dog-Phänomen, für das es unzählige Beweisvideos im Internet gibt, nicht von der Hand zu weisen. Menschen kommen nach Hause und finden entweder Hunde vor, die sich seltsam unterwürfig verhalten oder anders als sonst einen nicht einmal begrüßen. Die zerkauten Schuhe, zerfetzten Briefe, ins Wohnzimmer entleerten Mülleimer oder geschredderten Sofas hat Mensch da noch gar nicht gesehen. Und dabei können zwischen der Tat und der vom Hund befürchteten negativen Reaktion des Menschen mehrere Stunden liegen. Was stimmt also?
Wahrscheinlich beides.
Die Strafe, oder sagen wir besser Maßregelung, die vor allem (gewaltfrei!) signalisieren soll, dass wir eine Handlung des Hundes nicht gut heißen oder gar inakzeptabel finden, muss tatsächlich sofort auf die Tat folgen. Aber das macht auch mit richtigem Timing nur Sinn, weil unsere Hunde in der Lage sind, das zu kapieren und es sich zu merken. Die Timingfrage bezieht sich also auf den Lernprozess und das schlechte Gewissen ist das Ergebnis dieses Lernprozesses.
Nun wird die Fähigkeit zu einem schlechten Gewissen bei Hunden, das mit dem unseren vergleichbar wäre, von vielen trotzdem bezweifelt. Der Hund hatte ja während der Tat kein schlechtes Gewissen und auch danach war für ihn die Welt noch in Ordnung. Erst als sein Mensch ins Spiel kommt, wird die Tat zum Problem und das nur, weil es für den Menschen eines ist. Er bedauert also nicht seine Tat, sondern fürchtet die Reaktion seines Menschen. Das passiert übrigens auch, wenn der Hund niemals misshandelt worden ist, also keine Angst vor körperlicher Züchtigung hat.
Nun gut, aber… wo ist da jetzt der Unterschied zu unserem schlechten Gewissen? Wie oft empfinden Menschen auch erst dann Reue, wenn sie damit konfrontiert werden, wie andere ihre Tat bewerten? Hinzu kommt, dass unser schlechtes Gewissen genau wie beim Hund anerzogen ist. Es ist nicht nur ein Klischee, sondern wirklich oft zu beobachten, wie ein Kleinkind einem anderen im Sandkasten mit der Schaufel auf den Kopf haut und anschließend sein weinendes Opfer entweder ignoriert oder nur anstarrt. Das schlechte Gewissen kommt mit der Zeit, wenn die Eltern in solchen Situationen die Handlung verurteilen. Tun sie das nicht, wird das Kind sie höchst wahrscheinlich immer wieder wiederholen. Das gilt vor allem, wenn es dadurch einen Vorteil hatte, weil es zum Beispiel so die Förmchen bekommen hat.
Ja, es gibt sowohl Hunde als auch Menschen, die sind vom Charakter her sensibler und empathischer als die meisten. Dennoch ist unser inneres Richtig-Falsch-Regelwerk und wann wir ein schlechtes Gewissen empfinden, obwohl wir selbst eigentlich keinen Nachteil durch unsere Handlung hatten, bei Mensch und Tier anerzogen. Auch wir tun Dinge, von denen wir wissen, dass sie verboten sind oder von anderen nicht akzeptiert werden – manchmal voller Überzeugung, manchmal nervös und unsicher. Und auch wir haben manchmal mehr Angst davor, erwischt zu werden, als dass wir unser Tun wirklich schlimm finden (und nennen das trotzdem „schlechtes Gewissen“).
Können Hunde also auch Stunden später wissen, dass sie etwas falsch gemacht haben und ein schlechtes Gewissen haben? Meiner Meinung nach ja.
Kleine Anmerkung zum Schluss: Natürlich sollten die Hunde nicht mehr bestraft oder ausgeschimpft werden, wenn die Tat länger her und zudem in Abwesenheit passiert ist.

Quellen
medlexi.de/Geruchsrezeptor
medlexi.de/Riechschleimhaut
vetzentrum-bgl.de/die-hundenase-welt-der-tiere-welt-der-wunder
rekordtiere.de/diese-7-tiere-haben-den-besten-geruchssinn-auf-der-welt/
dw.com/de/supernasen-im-tierreich-wer-hat-den-besten-geruchsinn/g-62279338
rover.com/de/blog/wie-weit-koennen-katzen-riechen/#:~:text=„Während die menschliche Nase etwa,besser voneinander unterscheiden als wir.
samtpfote.com/blogs/katzenwissen/der-geruchssinn-von-katzen
hno-aerzte-im-netz.de/unsere-sinne/riechen/riechschleimhaut.html
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