Beitragsbild zum Artikel "Der Hund und das Vieh". Es zeigt ein Schaf und einen Schäferhund, die sich ansehen.

Der Hund und das Vieh

Die ältesten „Jobs“ von Hunden für uns Menschen sind sicherlich Jagdhilfe und Wache. Aber die Arbeit am Nutzvieh ist eine ebenfalls sehr alte Verwendung des Hundes als Arbeitstier. Seit es Viehzucht gibt, hat es Nomaden und Hirten gegeben, die sich von Hunden unterstützen ließen. Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass die Hunde für die Haltung und Zucht des Viehs gar existentiell nötig gewesen sind.
Arbeitshunde an der Seite von Hirten sind zwar seltener geworden, aber es gibt sie noch. Inzwischen ist das eine Jahrtausende alte Tradition – wohlmöglich bis zu 10.000 Jahre alt.
Umso erstaunlicher ist es, welches Durcheinander es bei den Begriffen für Hunde gibt, die mit am Vieh arbeiten bzw. dafür gezüchtet worden sind.
Hirtenhund, Hütehund, Herdenschutzhund, Schäferhund, Treibhund… was ist was?
Ich hatte erwartet, dass die Beantwortung dieser Frage leicht werden würde, aber da habe ich mich geirrt. Auf der Suche nach genauen Definitionen tauchen manche Begriffe als Synonyme auf, dann wieder als Ober- und Unterbegriff. Wieder andere sind Umgangssprache oder doch wieder richtige Bezeichnung… es ist verwirrend.
Ich werde hier daher unterschiedliche Modelle zum Gebrauch von Hunden am Nutzvieh aufzeigen. Dabei fange ich mit dem Modell an, welches ich dafür halte, der Richtigkeit der Begriffe am nächsten zu kommen. Die darauf folgenden zeigen zum einen, aus welchen Informationen sich Modell 1 entwickelt hat, und zum anderen, wie unterschiedlich manche Begriffe verwendet und verstanden werden.

Modell 1 – das wohl professionellste

Oberste Ebene: Herdengebrauchshund

Alle Rassen, die zur Arbeit am Nutzvieh gezüchtet worden sind, können als Herdengebrauchshunde zusammengefasst werden. Es gibt sehr unterschiedliches Nutzvieh, unterschiedliche Haltungsformen und daher auch unterschiedliche Aufgaben für Hunde. Deshalb gibt es unterschiedliche Rassen, die sich weiter kategorisieren lassen. Und daher macht ein Oberbegriff Sinn.

Mittlere Eben: Die große Aufteilung

Die erste Aufteilung ist die mit dem größten Unterschied zwischen den Herdengebrauchshunden. Sie unterscheidet zwischen den Hütehunden und den Hirtenhunden, bzw. den Herdenschutzhunden.

Der Hirtenhund / der Herdenschutzhund

Der Begriff Herdenschutzhund trifft diese Gruppe meiner Meinung nach besser, als der (wohl ältere) des Hirtenhundes, weil er die Aufgabe dieser Rassen genau bezeichnet. Herdenschutzhunde schützen die Herde. Und sie tun dies auch in völliger Abwesenheit des Menschen.
Ob sie nur sehr territorial sind, oder tatsächlich eine so enge Bindung zu den Herdentieren aufbauen, mag unterschiedlich gesehen werden. Aber ganz klar beschützen sie Herde und Territorium mit ihrem Leben.
Gerne mindestens zu zweit verteidigen sie dabei gegen alles und jeden – vom Greifvogel bis zum Bären.
Meist sind sie bei Schaf- oder Ziegenherden, aber sie lassen sich auch für andere Tierarten einsetzen. Für Hühner zum Beispiel. In einem Artikel im Dogs-Magazin wurde 2009 von Hunden berichtet, die über Pinguine wachen.
Herdenschutzhunde sind große, kräftige Tiere, wobei das nicht bedeutet, dass sie „dicklich“ sein müssen. Es gibt auch recht schlanke Hunde, aber imposant sind sie trotzdem alle. Ihr Fell kann sowohl sehr kurz, als auch sehr dicht sein, je nachdem, für welche Region ihre Rasse ursprünglich gezüchtet worden ist.
Richtig ausgebildet und eingesetzt sind sie nicht aggressiv, sondern versuchen bereits mit ihrem Gebell potenzielle Angreifer zu vertreiben. Der Angriff ist ihr letztes Mittel. Manchmal etwas schwerfällig wirkend, sind sie tatsächlich sehr aufmerksam.
Sie sind außerdem selbstbewusst und sehr selbstständig. Normalerweise sind sie mit der Herde an einem festen Ort und die Anwesenheit ihrer Menschen wird nicht dazu benötigt, ihre Aufgabe zu erfüllen. Ich habe allerdings mal einen Bericht über eine Schäferin gesehen, die sowohl Hüte- als auch Herdenschutzhunde hatte. Während sie mit den Hütehunden die Herde bewegte, liefen die Herdenschutzhunde wie Bodyguards mit und behielten die Umgebung im Auge. Die zwei Beschützer passten also auf, arbeiteten dabei aber weder mit der Hirtin, noch mit den Hütehunden zusammen.
Ohne Herde gehen die Hunde auch mit ihren Menschen eine enge Bindung ein, aber Gehorsam ist so eine Sache. Ihr Training muss auf sie abgestimmt sein. Sie schützen ihre Familie und ihr Territorium, was ihre Menschen kontrollieren können müssen.

Der Hütehund

Hütehunde sind intelligente, ausdauernde und dem Menschen zugewandte Tiere. Sie sind sehr gelehrig und können mit Training erstaunlichen Gehorsam entwickeln. Sie sind oft klein oder mittelgroß, manchmal auch größer, aber immer wendig und agil. In der Praxis arbeiten meist mindestens zwei Hunde zusammen, wobei einer von beiden bereits erfahren und der andere quasi noch in der Lehre ist.
Um das nochmal deutlich zu machen: Diese Hunde brauchen sehr viel körperliche und geistige Auslastung. Sowohl der Border Collie als auch der Deutsche Schäferhund sind Hütehunde und beide sind bei Intelligenz und Sportlichkeit im obersten Bereich aller Hunderassen.
Zu Spezialisten gezüchtet lassen sich Hütehunde in drei weitere Untergruppen aufteilen, die im nächsten Punkt vorgestellt werden.

Letzte Ebene: Die drei Hütehund-Spezialisten

Schafe und Ziegen sind anders als Rinder, aber selbst unter Schafs- oder Ziegenherden gibt es unterschiedliche Haltungsformen. Manche Herden sind die meiste Zeit an ihrem Stall oder auf einer umzäunten Weide. Nur manchmal müssen sie von einem Ort an den anderen getrieben werden. Andere Herden hingegen werden von Wanderhirten über Weiden ohne Zaun geführt. Und so gibt es beim Hüten der Herden unterschiedliche Aufgaben.
Für diese Aufgaben, je nach Haltungsform oder Tierart, sind die Hütehundrassen weiter spezialisiert und lassen sich unterteilen in: Schäferhunde, Koppelgebrauchshunde und Treibhunde.

Koppelgebrauchshunde sind zum Beispiel Border Collies. Sie werden dazu gebraucht, die Herde genau so zu bewegen, wie der Mensch es will. Dazu gehört auch das Treiben in ein kleineres Gatter oder auf einen Hänger und das Separieren oder Einfangen einzelner Tiere. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund ist dabei beeindruckend präzise. Das Anpirschen, schnelle Bewegen und sofortige Stoppen des Hundes ist dabei charakteristisch. Genau so typisch ist, dass sie dabei kaum bellen, sondern vor allem Blicke und Körpersprache nutzen. Das hat übrigens sehr viel mit Jagen zu tun, nur dass die Hunde die Jagd nicht vollziehen dürfen, also genau dann aufhören müssen, wenn sie die Beute erwischen könnten.

Treibhunde sind deutlich selbstständiger als die anderen beiden Hütehundarten. Sie gelten als sturer, sind aber mit Training durchaus für Kommandos empfänglich.
Der Begriff verrät ihre Aufgabe: Das Treiben. Sie sorgen also dafür, dass sich eine Herde vorwärts bewegt, und das mit Präsenz und Gebell. Da sie meist für größere Tiere wie Rinder gebraucht werden, sind sie sowohl körperlich als auch psychisch ganz schön robust. Dabei sind sie selbst oft gar nicht so groß, wie zum Beispiel der Australian Cattle Dog und der Welsh Corgi. Sollte ein Rind sie treten wollen, sind die kleineren Hunde schlicht schlechter zu treffen.

Schäferhunde tragen ihre Kategorie oft schon im Namen, genau wie der Deutsche Schäferhund. Halter und Halterinnen der Rasse werden es kennen, wie der Hund abgeleint seine Familie umkreist, sobald sie aus mehreren Personen besteht und immer bemüht ist, alle zusammen zu halten. Genau das ist auch seine Aufgabe an der Herde. Er wird da eingesetzt, wo keine Zäune sind. Durch das sogenannte „Furche laufen“ hält der Hund die Herde in dem Bereich, den sein Mensch ihm durch Kommandos vorgegeben hat. Die gestrichelte Linie verweist darauf, dass vielen Schäferhunderassen neben dem Hüten auch das Beschützen angezüchtet wurde und sie in den Fällen auch seltener lautlos agieren. Dadurch verwischt sich ein wenig die harte Grenze zu den Herdenschutzhunden.

Modell 2 – das Basismodell

Dieses Modell ist die maßgebliche Vorlage für das erste. Allerding wird keine Verbindung von den Schäferhunden zu den Herdenschutzhunden gezogen. Und eine mögliche Aufteilung der Hütehunde in laute und lautlose (siehe dazu Modell 5) wird nicht unternommen.

Modell 3 – das wohl umgangssprachlichste

In diesem Modell verändert sich das Verständnis vom Begriff Hirtenhund enorm. Er ist hier kein Synonym für den Herdenschutzhund mehr, sondern der Oberbegriff für alle Hunderassen, die zur Arbeit mit Hirten und Herden gezüchtet worden sind und werden. Er steht hier also anstelle des Herdengebrauchshundes. Der Grund dafür: Das ist ein umgangssprachliches Verständnis des Wortes. Herdengebrauchshund ist im Volksmund eher unbekannt und Hirtenhund passt zu gut als „Hund, der mit Hirten arbeitet“, als dass er nicht hätte an diese Stelle rücken können. Was bleibt, ist die Aufteilung in Hütehund und Herdenschutzhund genau wie zuvor.

Modell 4 – mit dritter Kategorie Schäferhunde

Dieses Modell unterscheidet sich vor allem in der Definition der Schäferhunde und hebt sie als eigenständige Kategorie der zweiten Ebene neben die Hütehunde und die Herdenschutzhunde.
Besonders in Bezug auf den Deutschen Schäferhund lese ich es zu oft, um es zu unterschlagen, und kann es aus eigener Erfahrung auch nur bestätigen: Er wird hier als hütend und schützend zugleich beschrieben und bildet damit eine Mischung aus Hütehund und Herdenschutzhund. Das deckt sich damit, wenn Schäferhundrassen als Allrounder bezeichnet werden. Die vielfältigen Fähigkeiten machten Deutsche und Belgische Schäferhunde ja auch schließlich als Schutz- und Polizeihunde so beliebt.

Modell 5 – mit größtem Bergiffs-Wirrwarr

Hier wurden Hirten- und Hütehund erstmal als Oberbegriff definiert und anschließend in den Untergruppen wieder aufgegriffen. Allerdings macht dieses Modell einen interessanten Unterschied, indem es die Treibhunde als laute Hütehunde und die „reinen“ Hütehunde als lautlose Hütehunde kategorisiert. Der Schäferhund ist hierbei wieder eine Mischung aus Hüte- und Herdenschutzhund, wobei er mit „Hirtenhund“ synonym ist.
Alles klar, oder?

Modell 6 – aus der Schweiz

Diese Aufteilung habe ich auf der Seite des Schweizerischen Vereins für Ausbildung von Herdengebrauchshunden gefunden. Es wird dort betont, dass der Begriff des Hütehundes in Deutschland in der Regel anders verstanden würde als in der Schweiz, was zu Missverständnissen führen könne.
Allerdings ist das Modell in sich schon missverständlich, weil es Hütehund einmal als Oberbegriff und dann nochmal als Untergruppe aufführt. Als Oberbegriff soll er allerdings eher Umgangssprache sein.
In der Beschreibung des Hütehundes als Gruppe tauchen dann wiederum die Aufgaben und Vorgehensweisen des Schäferhundes auf, wie ich sie zum Modell 1 beschrieben habe.
Ich führe dieses Wirrwarr hier auch nur auf, um darauf hinzuweisen, dass es Unterschiede in den Begriffen zwischen Deutschland und Schweiz gibt.

Fazit

Hunde, die an Nutzviehherden arbeiten, lassen sich in die zwei Gruppen der Hüte- und der Herdenschutzhunde aufteilen. Sie unterscheiden sich erheblich voneinander. Die Herdenschutzhunde beschützen eigenständig die Herde, arbeiten dabei nicht mit dem Menschen und sind auch nicht dafür verantwortlich, die Herde irgendwohin zu bewegen.
Die Hütehunde arbeiten sehr eng mit dem Menschen und machen das mit der Herde, was ihnen kommandiert wird. Sie können die Herde an Ort und Stelle halten oder bewegen, einzelne Tiere separieren oder zurückbringen.
Hütehunde können hoch spezialisiert arbeiten. Aber es ist auch schon vorgekommen, dass sie eine Herde beschützen. Vor allem einige Schäferhundrassen haben einen ausgeprägten Beschützerinstinkt.

Beim Gebrauch der verschiedenen Begriffe herrscht allerdings keine Einheitlichkeit, wenn sich Umgangssprache mit Fachtermini vermischt. Die damit beschriebenen Arbeitsplätze sind stark zurückgegangen, der Gebrauch der Hunde für diese Aufgaben ist also ziemlich selten geworden und wir vergessen zunehmend die richtigen Begriffe, wenn wir nicht gerade Hirten oder Hirtinnen sind.

Es ist aber wichtig zu wissen, für welche speziellen Aufgaben ein Hund gezüchtet worden ist, sobald er in die eigene Familie kommen soll. Die Hunde haben nämlich entsprechend ihrer durch Zucht verstärkten Fähigkeiten spezielle Bedürfnisse, ihr Training muss sich danach richten und ihr Verhalten wird dadurch erklärt.

Herdengebrauchshunde – bekannteste Rassen

Herdenschutzhunde
Do Khyi
Kangal
Kaukasischer Owtscharka
Komondor
Kuvasz
Pyrenäenberghund

Hütehunde – Koppelgebrauchshunde
Australian Shepherd
Australian Kelpie
Baerded Collie
Border Collie
Kurzhaarcollie
Langhaarcollie
Pumi
Shetland Sheepdog
Welsh Sheepdog

Hütehunde – Schäferhunde
Deutscher Schäferhund
Belgische Schäferhunde (Malinois, Groenendael u. a.)
Bobtail / Old English Sheepdog
Briard / berger de Brie
Harzer Fuchs
Holländischer Schäferhund

Hütehunde – Treibhunde
Appenzeller Sennenhund
Australien Cattle Dog
Bouvier des Ardennes
Bouvier des Flandres
Entlebucher Sennenhund
Welsh Corgi Cardigan
Welsh Corgi Pembroke

Kleine Anmerkung zum Schluss: Auch bei den Rassebezeichnungen zeigt sich eine Uneinheitlichkeit bei den Begriffen. Viele Rassen tragen den Begriff des Schäferhundes in sich, obwohl sie zum Beispiel Herdenschutzhunde sind, wie bei Rassenamen mit Owtscharka, Owczarek und Ovcar. Diese leiten sich in verschiedenen slawischen Sprachen vom jeweiligen Wort für Schaf ab, lassen sich also als Schäferhund übersetzen. Alternative Rassenamen enthalten ebenfalls den Schäferhund, wie „Schottischer Schäferhund“ für den Collie. Dabei eignet er sich speziell als Koppelgebrauchshund. Genau so lässt sich Sheepdog als Schäferhund übersetzen und Shepherd als Hirte. Oder kurz: Es bleibt verwirrend.

Zwei Pfotenabrücke als Zeichen für das Textende.
Quellen (zum aufklappen anklicken)

haustiermagazin.com/huetehunde-unverzichtbare-helfer/

haustiermagazin.com/herdenschutzhunde-arbeitshunde-wachsame-riesen/

einfachtierisch.de/hunde/hundekauf/herdenschutzhunde-huetehunde-hirtenhunde-unterschied-106331

herdenschutzhundhilfe.de/info/merkmale

herdenschutzhundhilfe.de/hsh-rassen

ssds.ch/arbeitshunde.html

hirtenhundewelt.de/pages/03-geschichte.html

hirtenhundewelt.de/pages/02-begriff.html

schnuffelhof.com/post/wie-werden-koppelgebrauchshunde-ausgebildet

schnuffelhof.com/post/collies-teil-1-n%C3%BCtzliche-dinger

artgerecht-tier.de/hunde/d-herdenschutzhunde-und-huetehunde-1495683666

main-skudden.de/huetehund/

mein-haustier.de/magazin/huetehunde/

martinruetter.com/koblenz/wissenswertes/rassekunde/rassekunde/artikel/old-english-sheepdog-bobtail/

martinruetter.com/angebot/wissenswertes/rassekunde/rassekunde/hollaendischer-schaeferhund-kurzhaar/

deutscherbouvierclub.de/index.php?seite=bda

passion-hund.de/hunderassen/harzer-fuchs-2/

Jungehülsing, Julica: Maremma-Abruzzen. Freunde der Pinguine, in: dogs/Dogs Magazin 2009 (Juli-August), S. 28-34.

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