Wer auf Social Media unterwegs ist, der hat ganz sicher schon Videos von Tierrettungen gesehen. Sie werden uns in die Timeline gespült oder von anderen Menschen gezielt mit uns geteilt. Oft sind es Kitten, Welpen oder kleine Äffchen mit hohem Niedlichkeitsfaktor, die entweder irgendwo feststecken oder sogar halbtot, gefesselt oder sonst wie verfangen aufgefunden werden. Innerhalb weniger Minuten machen wir als Zuschauer eine emotionale Aufwärtsfahrt durch: von mitleidend besorgt zu erleichtert froh. Doch manche dieser Videos sind schon etwas seltsam, oder? Kitten scheinen erschreckend oft mit dem Kopf in Rohren, Flaschen, Tüten oder Sonstigem stecken zu bleiben und völlig verschmutzte Hundewelpen verhungern auch an jeder Ecke. Am schlimmsten sind jedoch diese „Retter“ zu ertragen, die in höchster Not mit nur einer Hand hantieren, weil das Filmen mit der zweiten so wahnsinnig wichtig ist. Außerdem haben sie auch noch alle Zeit der Welt, um das leidende Häufchen im groben Griff vor der Kamera zu drehen, damit wir als Zuschauer auch ja das ganze Elend erkennen können. Aber wir schauen darüber hinweg, weil am Ende des Videos ein fröhliches, gesundes und befreites Tier zu sehen ist. Denn das fühlt sich einfach nur gut an. Nicht wahr?
Dann war der Retter oder die Retterin eben ein wenig zu grob und hat es etwas zu wichtig genommen, sich selbst zu inszenieren. Egal, denn schlussendlich wurde das Tier gerettet.
Ich bin von selbst nicht darauf gekommen, sondern brauchte einen TV-Beitrag dazu. Dabei ist es wirklich nicht schwer zu glauben – aber man will es einfach nicht wahrhaben. Wovon ich rede? Von Fake-Tierrettungsvideos. Also von gefälschten Aufnahmen von vermeintlichen Tierrettungen.
Für die Fake-Videos wurden die Tiere absichtlich in Not gebracht, ihre Rettung ist inszeniert, das Filmen wird dabei nicht nur „etwas zu wichtig“ genommen, sondern ist das Wichtigste an der ganzen Aktion.
Nur 3 Dinge in diesen Videos sind echt: die Gefahr für die Tiere, ihre Angst und ihre Schmerzen.
Die Tiere werden irgendwo hineingequetscht, in Wasser oder Matsch geschmissen, mit anderen und für sie gefährlichen Tieren zusammengebracht, verletzt, ausgehungert, bewusstlos gemacht und was ihren Tierquälern sonst noch so einfällt. Das gute Gefühl, ein vor 2 Minuten noch halbtotes Hündchen jetzt propper und fröhlich zu sehen, können wir vergessen, denn für den echten Ablauf müssen solche Videos in der Fake-Version oft rückwärts geschaut werden.
Und wozu das Ganze?
Echte Tierschutzorganisationen nutzen Social Media und sonstige Webauftritte, um ihre echte Rettungsarbeit zu zeigen. Wenn die Menschen sehen, wie aus Spenden Aktionen der Organisation werden, durch die sie wirklich helfen und aus unglücklichen Tieren in Not glückliche Tiere in Sicherheit machen, sind sie eher dazu bereit, diese Arbeit selbst durch Spenden zu unterstützen. Die Videos machen den Tierschutz und die Rettungen sichtbar. Und ohne Spenden ist Tierschutz einfach nicht machbar.
Doch leider haben Betrüger und Betrügerinnen ohne jedes Mitgefühl entdeckt, dass sich mit falschen Rettungsvideos von mitfühlenden Menschen Spenden ergaunern lassen. Außerdem sind im Internet Klicks und Likes eine Währung. Je mehr Menschen nachweisbar ein Video gesehen haben, umso eher lässt sich damit indirekt oder direkt mit Hilfe von Werbung echtes Geld machen. Das ist vergleichbar mit der Einschaltquote im linearen Fernsehen.
Fake-Tierrettungsvideos erzeugen direktes Tierleid, welches in den Filmen zu sehen ist. Sie erzeugen indirekt weiteres Tierleid, weil sie echte Tierschutzorganisationen um Spenden bringen, denn entweder ein potenzieller Spender fällt auf die Fälschung herein und spendet an die falschen statt an die echten Retter und Retterinnen, oder es wird aus Mistrauen sicherheitshalber gar nicht gespendet.
Es ist wirklich perfide, dass durch diese falschen Tierrettungsclips Menschen, denen Tiere am Herzen liegen, ausgerechnet Tierquälerei fördern, indem sie Videos liken, teilen oder sogar Geld spenden.
Hinweise auf gefälschte Rettungsvideos
Filmen vor Rettung. Wenn das Filmen den Rettern im Video wichtiger zu sein scheint, als das Tier, ist das ein ziemlich guter Hinweis auf einen Fake. Denn bei echten Tierschützern, Tierschützerinnen, Tierfreunden und Tierfreundinnen steht die Rettung des Tiers im Vordergrund. Es wird sich nicht die Zeit genommen, den Zuschauenden das leidende Tier von allen Seiten zu zeigen.
Umgang mit dem Tier. Gehen die Rettenden eher grob und rücksichtslos mit dem Tier um? Auch wenn es sich um eine Rettung handelt, können wir hier auf unser Bauchgefühl hören. Wem das Tier nicht egal ist, der wird vorsichtig damit umgehen. Außerdem versuchen echte Tierschützer und -schützerinnen immer, den Stress für das Tier so gering wie möglich zu halten.
Die Retter und Retterinnen selbst. Was erfahren die Zuschauenden über die vermeintlichen Retter und Retterinnen im Video? Zeigen oder verbergen sie ihr Gesicht? Behaupten sie, Tierschützer oder Tierschützerin zu sein und nennen den Namen einer Organisation? Falls ja, dann kann eine Internet-Recherche bei der Frage nach der Echtheit helfen. Unabhängig davon kann ein Blick in den Account weiterhelfen. Was für Inhalte werden von der Person sonst noch geteilt? Fallen ihr als „Normalo“ öfter Tiere in Not vor die Füße, oder ist sie angeblich aktiv im Tierschutz, aber es fehlen Inhalte, die sich mit mehr Tierschutzthemen befassen als nur solchen Rettungsvideos?
Unstimmige Details im Video. Wenn eigentlich seltene Phänomene sehr oft auftauchen, ist das schon mehr als verdächtig. So gibt es viele Videos, in denen Wildtiere oder Haus- und Wildtiere aufeinandertreffen, die sich gar nicht denselben Lebensraum teilen. In diesen Videos rettet dann ein Mensch wie zufällig das Beutetier vor dem Raubtier. Außerdem folgen viele dieser Filme einem vergleichbaren Muster, was Handlung, Ablauf und sogar Dauer und Musikuntermalung angeht.
Zur Erinnerung: Oft werden Tiere mehrfach für solche Aufnahmen benutzt. Es kann also durchaus sein, dass einem Tiere bekannt vorkommen. Oder sie sehen sich sehr ähnlich, weil es Geschwistertiere sind, die sich im Besitz der falschen Retter und Retterinnen befinden.
Was können wir als Zuschauende dagegen tun?
Im Zweifel nicht liken, nicht teilen und nicht kommentieren.
Andere aufklären und ihnen davon erzählen, dass es diese Fakes gibt und in Wirklichkeit Tierquälerei dahintersteckt.
Es über die Meldefunktion auf der jeweiligen Seite melden, mit dem Ziel, dass es gelöscht wird.
Mehr Informationen zum Thema gibt es unter anderem auf folgenden Seiten:
Gefälschte Tierrettungsvideos – VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz in Deutschland
Tierquälerei – Warum Rettungsvideos oft Fake sind · Dlf Nova
Tierquälerei auf YouTube: Wie Tiere für Fake-Videos missbraucht werden | National Geographic
Mit Link auf der Seite zu einem ausführlichen Bericht in pdf:
Das Ganze nochmal kurz und sehr verständlich erklärt:
logo!: Gefakte Tierrettungen – logo!
Der TV-Beitrag, der mir das Thema eröffnete:
Erfahrungen, Gedanken oder noch mehr Infos zum Thema gerne in die Kommentare schreiben!